Da spielt die Musik!

Tonträger aus dem Archiv für die Musik Afrikas (AMA)

Tonträger im allgemeinen, aber besonders die frühen Formate, also v.a. Schellackplatten, vermitteln einen Einblick in den Musikkonsum in afrikanischen Ländern während der jeweiligen historischen Epochen, über den nur wenige alltagshistorische Studien vorliegen. Unsere Sammlung zeigt, dass nicht nur lokale Stile wie Highlife oder Congo-Rumba sondern auch lateinamerikanische Tanzmusik, nordamerikanischer Swing und Jazz, europäische Kunstmusik, jamaikanischer Reggae und in jüngeren Dekaden auch Rock, Pop, Hip-Hop gehört und von lokalen Musiker*innen kreativ adaptiert wurden.

Die ersten Tonaufnahmen in Afrika machten Musikwissenschaftler*innen aus dem Globalen Norden zu Beginn des 20. Jahrhunderts, also noch in der Kolonialzeit. Musik wurde damals auf Wachswalzen aufgezeichnet. Bei den Aufnahmen handelte es sich zumeist um als „traditionell“ bezeichnete Musik. Bald folgte auch die Produktion von Tonträgern, die verschiedene Aspekte des musikalischen Lebens einzufangen versuchten, vom Kirchenchor über Militärmusik bis zur urbanen Tanzmusik. Die damals produzierten Schellackplatten verkauften sich gut in etlichen Ländern Afrikas, sodass, auch wenn zunächst ausschließlich in den kolonialen „Mutterländern“ oder größeren Kolonien (etwa Indien) produziert wurde, in einigen afrikanischen Ländern dann auch Aufnahmestudios und Plattenpressen etabliert wurden. Schellackplatten wurden in Afrika noch bis in die frühen 1970er Jahre hergestellt. Das Material ist empfindlicher als Vinyl, aus dem LPs und Singles bestehen. Als organisches Material kann Schellack etwa von Schimmel befallen werden, zudem sind Schellackplatten deutlich weniger flexibel als Vinylplatten, bei unsachgemäßer Behandlung können sie leicht zerbrechen.

Ab den 1960ern kamen zunächst Singles und dann Langspielplatten (LPs) hinzu, die sich als klanglich differenzierter und widerstandsfähiger erwiesen. Dennoch waren sie gegenüber Staub sehr empfindlich, was zum Erfolg der Ton- oder Musikkassette (MC) beitrug. Trotz ihrer klanglichen Mittelmäßigkeit hatten MCs den Vorteil, dass sie überspielbar waren, also den Nutzer*innen, v.a. aber Kleinhändler*innen eigene Zusammenstellungen ermöglichten, indem leere Kassetten mit Stücken verschiedener Künstler*innen bespielt wurden. Das letzte Format materialisierter Tonträger und das erste digitale Format sind die Compact-Disks (CDs), die allerdings auf dem afrikanischen Kontinent keinen vergleichbaren Erfolg hatten wie die MCs, sehr wohl aber für den Verkauf im Globalen Norden gerade durch den Erfolg des World Music-Vermarktungsbegriffs in den 1990ern eine wichtige Einnahmequelle für afrikanische Musiker*innen wurde. Heute findet der Musikkonsum in Afrika, wie auch anderswo, abgesehen von Konzerten vor allem durch Downloads statt. Die Dynamik des Marktes stellt dabei eine besondere Herausforderung für die Archivierung dar. Bislang sammelt das AMA keine Downloads.

Die Sammlung des Archivs für die Musik Afrikas (AMA) umfasst etwa 14.000 Tonträger unterschiedlicher Formate mit moderner afrikanischer Musik sowie ungezählte Zeitungsausschnitte, Poster, Flyer und anderes Werbematerial; dazu wenige Plattenspieler, Tonbandgeräte, Musikinstrumente etc. Das AMA, 1991 gegründet, wird von afrikanischen, amerikanischen und europäischen Kolleg*innen regelmäßig genutzt, da es weltweit nur wenige vergleichbare Archive gibt. Darüber hinaus fungiert es auch als Lehrarchiv. Studierende der JGU werden an afrikanische Musik, an Probleme der Archivierung, Digitalisierung und Katalogisierung herangeführt und lernen Programme zur Bearbeitung audiovisueller Dateien kennen. Das AMA wird auch von Studierenden anderer Universitäten sowie interessierten Personengruppen (Musiker, DJs) von außerhalb genutzt.

Die Objekte

Stargazers Dance Band “Keteke (Highlife) (Fanti) / Monkabi Mmame (Highlife) (Twi)”, Schellackplatte, London, Decca Records, 1958 (nicht katalogisiert)

Highlife ist der wohl bis heute berühmteste Musikstil Ghanas, entstanden noch vor der Unabhängigkeit der damaligen Goldküste 1957, der auch in die Nachbarstaaten und in die Diaspora ausstrahlte. Die Stargazers Dance Band gehört zu den bekannteren Repräsentanten des Genres. Die Schellackplatte wurde – wie bis weit ins 20. Jahrhundert noch verbreitet, im (ehemaligen) kolonialen „Mutterland“ produziert. Die Angaben zu Sprache und Genre sind vermutlich eher an ein westliches Publikum adressiert, obgleich Käufer*innen eher in Westafrika zu finden waren. Über die Jahrzehnte wurde der Stil weiterentwickelt, etwa durch Disco-Einflüsse in der Diaspora zum Burger Highlife oder durch Hip-Hop-Einflüsse in Ghana selbst zum Hiplife.

Bembeya Jazz National “Minuit / Guantanamera – Seyni”, Single, Conakry, Editions Syliphone, ca. 1977 (RS 702)

Als führende Band Guineas der Ära nach der Unabhängigkeit haben Bemebeya Jazz National ganze Musikergenerationen Guineas und Westafrikas geprägt. In ihrem Repertoire finden sich Preisgesänge auf Guineas damaligen Präsidenten Sékou Touré, kritische Auseinandersetzungen mit der Kolonialzeit und auch – den damaligen musikalischen Vorlieben des Publikums vieler afrikanischer Länder geschuldet – kubanische Stücke. Präsident Touré förderte nach der Unabhängigkeit die Künste und ganz besonders die Musik massiv, womit er zum Vorbild für Nachbarländer – und auch von deren Musiker*innen gefeiert – wurde.

Nomuntu & Chimora “Being Bitchy Is My Kind Of Fun”, LP, Südafrika, Roy B/Dephon/Teal Trutone, 1989 (R 1579)

Eher ein Kuriosum der südafrikanischen Popmusikgeschichte, lebt dieses Ausstellungsstück vor allem durch seinen Titel; die Band hatte in dieser Konstellation nur ein weiteres Album. Dieses Album ist von einigen Pop-Gospelnummern abgesehen, Bubblegum zuzurechnen, einem vor allem von Disco-Musik geprägten Genre. Dem Kaugummi gleich, so wird die Benennung des Genres begründet, ist es anfangs süß, wird bei längerem Konsum aber schnell fad. Die hedonistisch-eskapistischen Aussagen des Bubblegum standen in merkwürdigem Kontrast zu den sich verschärfenden Gewalttätigkeiten in den letzten Jahren des Apartheidregimes.

Alpha Blondy “Live au Zenith“, Tonkassette, London/Paris, EMI, 1992 (TK 392)

Dieses Album des seinerzeit wohl berühmtesten ivorischen Musikers – und zeitweise auch international bekanntesten afrikanischen Reggaekünstlers Alpha Blondy wurde Anfang der 90er, also in der Hochzeit der sogenannten World Music, aufgenommen. Das Verkaufslabel World Music erlaubte es einer vormals undenkbaren Vielzahl afrikanischer Musiker*innen ihre Musik durch Tonträger und Konzerttourneen im Globalen Norden zu verkaufen. Derartige internationale Konzerttourneen galten dem jeweiligen nationalen Publikum als Qualitätsmerkmal. Besonders Paris zog viele afrikanische Musiker*innen an, von denen etliche sich niederließen und die Diaspora kulturell bereicherten.

Moya Aliya Malamusi “From Lake Malawi to the Zambezi”, CD, Frankfurt/M, PAM/AMA, 1999 (CD 1771)

Diese Koproduktion des malawischen Ethnomusikologen Malamusi, des Labels Popular African Music und des AMA ist ein Beispiel dafür, wie ein Erhalt nationalen musikalischen Erbes in Afrika durch Beteiligung von Institutionen des Globalen Nordens auch ohne Paternalismus vonstattengehen kann – indem lokale wissenschaftliche Expertise inhaltlich die Richtung angibt und vor allem durch technisches Equipment aus dem Norden ergänzt wird.

Literatur:

Bender, Wolfgang: Sweet Mother - Moderne afrikanische Musik, Wuppertal: Peter Hammer Verlag, 2000.

Collins, John: Die populäre Musik in Westafrika nach dem Zweiten Weltkrieg, in: Erlmann, Veit (Hg.): Populäre Musik in Afrika, Berlin: Staatliche Museen Preußischer Kulturbesitz, 1991, S. 15-32.

Dorsch, Hauke: Globale Griots – Performanz in der afrikanischen Diaspora, Münster: Lit Verlag 2006.

White, Bob: Rumba Rules – The Politics of Dance Music in Mobutu’s Zaire, Durham, Duke University Press, 2008.