Zahlreiche Sammlungen an Museen und Universitäten bewahren Dinge, die aus ethischer Perspektive heute als sensibel eingestuft werden und eines besonderen Umgangs bedürfen. Das sind zum einen Dinge, die selbst sensibel sind, wie rituelle, nicht für die Öffentlichkeit bestimmte Gegenstände, menschliche Überreste und inhaltlich problematische Objekte (z. B. rassistisches Propagandamaterial). Zum anderen werden Dinge als sensibel kategorisiert, bei denen die Umstände der Herkunft, der Herstellung, des Erwerbs, der Aneignung und der Musealisierung fragwürdig sind. Dazu gehören ganz aktuell Kulturgüter, die illegal aus Krisengebieten ausgeführt werden, aber auch viele der Objekte, die um die Wende zum 20. Jahrhundert aus der kolonialisierten Welt nach Europa geschafft wurden, sowie Dinge, die in der NS-Zeit oder auch in der DDR durch Enteignungen und erzwungene Verkäufe die Besitzer wechselten. In diesen und weiteren Unrechtskontexten wurden neben menschlichen Überresten zudem auch Messdaten, Körperbeschreibungen, Zeichnungen, Fotografien, Gipsabgüsse, Film- und Tondokumente zu Menschen gesammelt, die oft in Zwangssituationen hergestellt wurden. Unter dem Aspekt des Artenschutzes werden in jüngeren Debatten nicht zuletzt auch naturhistorische Objekte als „sensibel“ gefasst und die Folgen eines umfassenden Dokumentations- und Bewahrungswillens kritisch beleuchtet.
Während die Frage des Umgangs mit sensiblen Objekten in Museen in den vergangenen Jahren zunehmend in den Blick gerückt ist, wurde sie für die Universitätssammlungen bisher wenig diskutiert – und das, obwohl diese in jüngster Zeit erhöhte Aufmerksamkeit finden. Die Tagung soll hier einen Impuls geben, indem sie Fachleute aus Universitäten und Museen in einen Erfahrungsaustausch bringt. Ausgehend von exemplarischen Objektbiografien werden mögliche Konsequenzen erörtert, die aus der Kategorisierung sensibel für die Aufbewahrung, Dokumentation und Restaurierung, die Verwendung in Lehre und Forschung sowie die öffentliche Präsentation des betreffenden Gegenstands gezogen werden können. Parallel zu solchen Fragen eher praktischer Natur wird eine wissenschaftshistorische und -theoretische Perspektive eingenommen: Wie verändern sich Dinge in verschiedenen Kontexten? Wie hat sich historisch der Blick auf die Herkunft und Beschaffenheit von Objekten gewandelt? Welches Verständnis von Wissenschaft steht dahinter? Wie unterscheidet sich der Umgang an Universitäten von dem an Museen?
Ausgehend von der Heterogenität und Vielfältigkeit der Universitätssammlungen deckt die Tagung ein breites Spektrum von Disziplinen ab – die Beiträge thematisieren anthropologische, ethnologische und archäologische, kunsthistorische und historische sowie naturhistorische Objekte. Den skizzierten Fragen soll so erstmals quer zu Fächern und ausgewählten Themenfeldern nachgegangen werden, um Parallelen und Differenzen auszuloten und Disziplinen übergreifend Strategien zu diskutieren und weiterzuentwickeln.
Am Abend des ersten Tages findet eine öffentliche Podiumsdiskussion im Landesmuseum Mainz mit Expert_innen aus Medien, Universitäten und Museen statt. Das gesamte Programm finden Sie rechts im Download-Bereich, ebenso Informationen zu Übernachtungsmöglichkeiten und Anfahrtbeschreibungen zum Tagungsort sowie zum Ort der Podiumsdiskussion.
Veranstaltungsort Tagung: Johannes Gutenberg-Universität, Universitätsbibliothek – Zentralbibliothek, Jakob Welder-Weg 6, 55128 Mainz
Veranstaltungsort Podiumsdiskussion: Generaldirektion Kulturelles Erbe Rheinland-Pfalz, Landesmuseum Mainz, Große Bleiche 49-51, 55116 Mainz
Anmeldung bis zum 13. Januar 2016 unter: info@sammlungen.uni-mainz.de
Organisatorinnen:
Dr. Vera Hierholzer | Sammlungskoordinatorin der JGU an der Universitätsbibliothek Mainz
Dr. Anna-Maria Brandstetter | Kuratorin der Ethnografischen Studiensammlung am Institut für Ethnologie und Afrikastudien, JGU